DEMO-JOURNAL
- Journalism International
- 25. Aug. 2024
- 15 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Nov. 2024
RETTET DEN JOURNALISMUS, UM DIE DEMOKRATIE ZU RETTEN

DJ – ein „Akronym“ für die beiden schwergewichtigen Worte Demokratie und Journalismus -
heben sie sich heutzutage auf, verhalten sie sich kongruent oder eher subaltern beeinflussend.
Demokratie funktioniert nicht ohne den Journalismus, Journalismus kann aber ohne
Demokratie funktionieren.
Vertrauensbruch in die Vierte Gewalt „Publikative“
Ob den Medien zu trauen ist? Eine Frage, die jeden Medienschaffenden, jeden Politiker, jeden
Richter und Polizisten, jeden Arbeiter, jeden Studenten – alle vier Gewalten der Demokratie –
beschäftigt. Laut des 44-seitigen Reports „Nachrichten“ von Statista, nahm zum einen nicht nur
das Vertrauen in verschiedenen Ländern gegenüber den Medien in den vergangenen Jahren
stets ab, auch das Interesse an qualitativ hochwertigeren Nachrichten und insbesondere das
allgemeine Interesse an Nachrichten geht weiter zurück.
So bezieht sich Statista u. a. auf eine Studie der IfD Allensbach, wonach die Zahlen der Nutzer
des Medienquartetts (Zeitung, Fernsehen, Radio und Internet) von den Jahren 2019 bis 2023
jährlich sinken. Lag die Zahl der Zeitungsnutzer im Jahr 2019 noch bei 25,37%, fällt sie jährlich
bis 2023 um ganze 3,69%. Die Fernsehnutzer nahmen von 2019, von 42,11%, bis 2023 um
2,77% ab. Die Zahl der Radionutzer ging von 22,79%, um 2,03% zurück. Gewiss prospektiv,
nimmt die Anzahl an Internetnutzern zu. So stieg die Zahl von 2019 bis 2023, von 20,93% um
6,67%. Eine Zahl die mit der einhergehenden Digitalisierung und zunehmenden Innovationen im
Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) unumgänglich fortschreiten wird.

Feststeht, das Zielfeld der Rezipienten hat sich längst auf die World Wide Web- (WWW)
Infrastruktur verlegt. Doch Tageszeitungen lassen sich mittlerweile auch online lesen. Nur wie
verhält sich hier das Vertrauen gegenüber den Medien?
Im Ländervergleich 2023, durch die Bertelsmann Stiftung, setzt die Bevölkerung in Deutschland
das höchste Vertrauen in die Tageszeitung. Doch auch hinter dieser Zahl steckt Vorsicht. Mit
gerade einmal 39% weist der Faktor „Hohes Vertrauen“ nur knapp mehr als ein Drittel der
Vertrauensanteile in die Medien auf. „Geringes Vertrauen“ dagegen liegen bei 48%.

Noch besorgniserregender als die vorausgegangenen Fakten, sind die Ergebnisse zwei weiterer
Studien der Bertelsmann Stiftung. Erstere bezieht sich auf die Wahrnehmung von
Desinformationen zur absichtlichen Schädigung Dritter oder der beabsichtigten Verbreitung von
Verunsicherung. Demnach nehmen über 58% „selten / sehr selten“, sogar 29% „häufig / sehr
häufig“ Desinformationen wahr.
Dieses Ergebnis beeindruckt wenig, betrachtet man die zweite Umfrage. Diese bezieht sich auf
den Wahrheitsgehalt von Informationen im Internet in Europa 2023. Deutlich erkennbar: in
allen Ländern ist der Faktor „Häufig / sehr häufig“ bedrohlich zu hoch. In Deutschland sind
gerade mal 2% „gar nicht unsicher“ beim Wahrheitsgehalt von Informationen, hingegen ganze
47%, die die Glaubwürdigkeit anzweifeln.
Zahlen die teils als überdimensioniert hervorgehoben wirken, sind im Gesamten als
Warnzeichen zu betrachten. Gehen die Medien nicht mit der Zeit und arbeiten crossmedialer,
digitalisierter, werden sie dem stetig wachsenden Druck innerhalb der eigenen Newsrooms und
zwischen all der Konkurrenz nicht standhalten können. Das Internet ist demnach besonders
auch für die Medien ein wichtiger Place-to-be. Doch auch hier werden sie angegriffen. Die
Medien sind ein essentielles Hab und Gut, insbesondere in einer Demokratie.
Doch woher kommt diese Vertrauenskrise?
Media-Journey und ihr Sprungbrett in die Boulervardisierung
Die Publikative interagiert als Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssystem. 1983/1984
durch den deutschen Soziologen Niklas Luhmann entwickelt, werden diese Systeme als drei
Ebenen – höchste, Meso- und Mikro-Ebene - verstanden, welche zueinander in Beziehung
stehen. Ihr journalistischer Einfluss nach außen hin, wird als „Umwelteinfluss“ bezeichnet.
Abbildung 4: Vertrauen in die Tageszeitung (Quelle: Statista)
Laut Luhmanns Systemtheorie (2005, S. 36) ebnet sich die Publikative mit den drei Gewalten
Legislative, Exekutive und Judikative, ohne verfassungsrechtliche Funktion und vollendet damit
die Gewaltenteilung - so in der Theorie. Doch arbeiten nun diese vier Gewalten wirklich im
korrelativen Kollektiv, für ein demokratisches Ganzes oder agieren sie viel mehr als Intervention
zueinander?
Der US-Journalist Walter Lippmann erforschte 1922 das „Phänomen der Nachrichtenauswahl“,
wonach Nachrichten das Produkt einer individuellen Auswahl der journalistischen Redaktion
sind. Er stellte Merkmale auf, wie „Sensation“, „Nähe“, „Prominenz“, „Überraschung“ und
setzte damit den ersten psychologischen Grundbaustein: Der „News value“, der
Nachrichtenwert, welcher aussagt, ob eine Nachricht Veröffentlichungs-Potential besitzt. Die
Nachrichtenmerkmale unterliegen später Erweiterungen, sorgen jedoch bereits ab der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts für die Boulervardisierung der Nachrichten.
Desto mehr Merkmale eine Nachricht aufweist, desto höher das „Newsranking“ und desto
würdiger ist die Nachricht, publiziert zu werden. Eine Selektion der Medien, die zum einen
Nonsens direkt ins journalistische Nirvana befördert, obgleich diese Selektion auch zu langfristig
fehlausgerichteten Nachrichten führen kann, die zu einer Dichotomie von Gut und Böse, in
Bezug auf einzelne Kulturen, Länder, Religionen oder Sexualausrichtungen lenken, wie es seit
Jahrzehnten immer offensichtlicher zum Vorschein tritt. Durch den Machtkampf zwischen
privaten und öffentlichen Sendern, freiberuflichen Journalisten, KI-generierten Artikeln und
heutzutage non-journalistisch ausgebildeten Bloggern, um der Einschaltquote gerecht zu
werden, obliegen Rezipienten geradezu einer bedrängenden Form von philosophischer
Mediendiktatur – sie werden in eine Richtung gedrängt – die Masse schwimmt im Strom, dieser
Strom wird gelenkt, ganz gleich wie viel Unwahres hierbei kursiert. Laut Borchardt (2020, S. 11)
verwendet der ehemalige US-Präsident Donald Trump den Begriff „fake news press“ über 600-
mal innerhalb seiner Amtsperdiode. Ein, bereits von den Nationalsozialisten geprägter Begriff,
der sogar 2014 in Deutschland als Unwort des Jahres gewählt wurde.
Waren die Lippmansch´en Merkmale bereits der Anstoß für den beginnenden, fortwährenden
Sensations-Drang einer Nachricht oder vielmehr der Start des Aufsplittens weiterer Zweige, um
Rezipienten eine Auswahl von Prominenz und Unterhaltung, Kultur, Wetter und investigativen
Meldungen zu bieten, wobei letzterer strenger zu betrachten ist?
Wirtschaftlicher Druck des Überlebenskampfes der Medien
Alle Medienschaffende haben eins gemeinsam – sie sind das Sprachorgan der Bevölkerung. Sie
sind die Erbauer einer Kommunikationsbrücke zwischen allen Menschen. Sie agieren nach dem
Modell Two-Step-Flow-Of-Communication als „Open Leader“. Ein Kommunikations-Modell,
dass 1960 von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet entwickelt wurde. Sie haben eine nicht
unterschätzbare Verantwortung gegenüber sich selbst, Völkern oder Regierungen, denn sie
üben den Umwelteinfluss aus.
Sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender obliegen einer gewissen staatlichen
Aufsicht. Demnach besagt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2007 "Die
gesetzlichen Regelungen sollen es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ermöglichen, seinen
klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und
Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst
(Urteil des BVerfGE, Absatz 122).". Sie obliegen einem gesetzlich, verpflichtendem
Programmauftrag. Ebenso werden private Sender durch die Landesmedienanstalten
beaufsichtigt, deren gesetzliche Grundlage die Landesmediengesetze bilden. Demnach findet
auf allen Sendern, in allen Medien eine Selektion statt, die der Demokratie schmeicheln soll.
Verständlich ist eine Selektion nach Altersbegrenzungen. Nicht verständlich ist eine Selektion,
die zu Dichotomie und damit einhergehend zur Förderung von Rassismus, Völkerhass, Gewalt,
Aufständen, Mobbing und Mord führt.
1973 wurden erstmals „Publizistische Grundsätze“ ins Leben gerufen – der Pressekodex war
erschaffen. Ein, im World Wide Web (WWW), freizugänglicher Ehrenkodex für Journalisten,
ohne gesetzliche Bindung. Kein verfassungsmäßiges Gesetz. Hier steht Ethik im Vordergrund.
Ethik, die mit wirtschaftlichen Thematiken ganzer Nachrichtenagenturen im Einklang
einhergehen muss. Ob Medienäquivalenzwert, Traffic, Conversions, CTR oder Leads –
Medienunternehmen unterliegen einem gewissen Druck, kontinuierlich im Gespräch zu bleiben
und zu den aufstrebend führenden oder gar zu den Gatekeepern weiterhin zu gehören,
während die heutige Zeitspanne immer kürzer wird, da sich die digitale Uhr des Internets
immer schneller zu drehen scheint – Rezipienten wollen rund um die Uhr adhoc bedient
werden und möglichst selbst am Ort des Geschehens gebracht werden. Wollen die Rezipienten
oder haben auch hier die Medien und ihr unerbittlicher Machtkampf sie erneut dazu gebracht?
Fest steht, Medienunternehmen müssen auch an die Finanzen denken und daher Nachrichten
auch aus dem wirtschaftlichen Faktor selektieren. Sie unterliegen also einem kontinuierlichen
marktwirtschaftlichen Druck, der sich auf die Nachrichtenauswahl mit auswirkt. Die
Nachrichtenauswahl, die bereits durch die Funktionsaufträge der einzelnen Länder,
schlussendlich durch den Staat, selektiert werden. Die Demokratie baut auf den Grundgesetzen,
mit denen die Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit einhergehen. Demnach sollte es
erlaubt sein, mehr investigative Nachrichten zu publizieren. Nachrichten müssen nicht immer
eine Sensation sein. Nachrichten müssen wahr sein, damit keine Fehlinformationen, keine
Fehlurteile, kein Hass, kein Rassismus, keine Ausschreitungen entstehen kann.
Werden Medien also mundtot gemacht, um dem eigenen Rechtsstaat nicht unangenehm in die Quere zu kommen und nichts und niemanden in ein falsches Licht zu stellen? Wie kommt es dann, dass so viele Rezipienten das Gefühl haben, bereits Fakenews oder Nachrichten, die absichtlich
anderen schaden sollen, entdeckt zu haben? Werfen aufdeckende, investigative Nachrichten
schlichtweg zu wenig Kapital im Vergleich zu Promi-News und zusammengewürfelten und stark
selektierten Medien ab oder sieht der Staat hier einfach eine zu hohe verfassungsrechtliche
Bedrohung?
Berichterstattung – demokratisch gelenkte Presse oder freies Menschenrecht
Die Quintessenz einer Nachricht sollte im Vordergrund stehen. Wahrheiten und Meinungen
sollten verbreitet werden dürfen. Meinungen einzelner Journalisten, die selbst Bürger
bestimmter Länder sind, oder ganzer Nachrichtenagenturen. Ebenso wie für jeden einzelnen
Menschen, zählt auch für sie die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit.
Nach Artikel 5 (1) des Grundgesetzes (GG) wird jedem Einzelnen die Meinungsfreiheit, in Wort,
Schrift und Bild gewährt. Diese Meinungsfreiheit ist ebenfalls verankert in Artikel 10 der
Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und Artikel 11 (1) der Europäischen Union
(EU).
Auch die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung ist im Deutschen Grundgesetz
(GG) unter Artikel 5 (1) hinterlegt, wird jedoch durch das jeweilige Landespressegesetz gelenkt -
Landessache.
Die Informationsfreiheit bildet eine Ausnahme. Laut der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK, 2014), vertritt die Meinungsfreiheit das Recht, die eigene
Meinung öffentlich kundzutun. Die Informationsfreiheit dagegen, sichert den Zugang zu
Informationen, die für die Bildung einer Meinung essentiell ist. Hierbei geht es insbesondere
um die Einsicht für jedermann (Jedermannrecht), von Regierungsinformationen, bzw.
behördlichen Informationen. Das Informationsfreiheitsgetz ist heute in Artikel 10 der EMRK und
für die BRD als eigenes Gesetz, kurz unter IFG festgehalten. Hingegen im Charta der
Grundrechte der Europäischen Union, ist sie längst unter Artikel 11 „Freiheit der
Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“ zu finden.
Demokratische Ohrfeige – SLAPP: Angriff gegen Pressefreiheit
Artikel über Artikel, Beschlüsse über Beschlüsse – sticht jedoch eines hervor: Laut dem
Grundgesetz (GG) der BRD bekennt sich nach Artikel 1 das Deutsche Volk zu unverletzlichen
und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des
Friedens und der Gerechtigkeit.
Zum einen sorgt die bereits entstandene, immens wachsende, gelenkte Dichotomie gegenüber
fremden Kulturen, Religionen oder Ländern zu einer geradezu propagandistischen Auflehnung
gegen all das befremdliche, was nicht ursprünglich Teil des deutschen Demokratiesystems war
und setzt somit aufs Scheuklappen-Denken, gegen die Einhaltung von Menschenrechten, was
letzten Endes weiter gegen ein friedliches, interkulturelles, aufgeklärtes Zusammenleben führt.
Fragt man sich zum anderen, ob sich die BRD in einem Klassensystem statt einer
demokratischen Gewaltenteilung befindet. Unter „deutsches Volk“, „wird nach dem
Grundgesetz von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 [GG]
gleichgestellten Personen“ gesprochen, so ein Auszug des Sachstandes des Deutschen
Bundestages. (06.2019) Unter „deutsches Volk“ fällt demnach jeder Mensch mit deutscher
Staatsangehörigkeit oder mit deutscher Volkszugehörigkeit. Menschen, die en Recht auf die
Einhaltung von Menschenrechten haben. Wie kann es hierbei dann sein, dass der Staat die
Medien so stark regulieren möchte, anstatt für eine verantwortungsbewusste Einhaltung der
Rechte, wie Meinungsfreiheit, zu sorgen. Laut Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) darf
der Staat, zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre, regulieren. Doch
diese Regulation geht bei Weitem über solche Argumente hinaus.
Dies gilt als geradezu demokratische Ohrfeige und kann unter dem Begriff SLAPP (Feicht, V.,
2022, S. 56-57) zusammengefasst werden: Strategic Lawsuits against Public Participation –
strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung. Dies heißt nichts anderes als dass die
Regierung gegen diejenigen mit einer „rechtsmissbräuchlichen Form von Klagen oder deren
Androhung“ […] vorgeht, „mit denen kritische Stimmen zum Schweigen gebracht und Personen
oder Organisationen, die sich öffentlich beteiligen wollen, eingeschüchtert werden sollen.“
Dies spiegelt sich besonders in der Pressefreiheit wider. Der Journalist Thorsten Thaler
erwähnte in seiner Kolumne „Pressefreiheit in Gefahr: Rücktritte sind fällig“ (Junge Freiheit, Nr.
31+32/24, S. 1) „Pressefreiheit ist nicht teilbar. Sie gegen staatliche Übergriffe zu schützen, ist
das Gebot der Stunde.“ Jeder Journalist, jedes Medium, der zu aufklärend, angeblich zu
„Regierungskritisch“ sich äußert, obgleich Wahrheiten hierbei ans Licht kommen könnten,
welche besonders am Ende für ein besseres Weltverständnis sorgen könnten, wird als
marxistisch-kommunistisch, als verfassungsfeindlich eingestuft. Nancy Faeser (SPD), aktuelle
Bundesinnenministerin für Heimat, äußerte sich mit folgenden Worten „Wir werden auch
weiterhin Verfassungsfeinden sehr entschieden entgegentreten,“ nachdem ihr Verbot des
Magazins Compact vom Bundesverwaltungsgericht Anfang August 2024 aufgehoben wurde.
Ein weiteres aktuelles Fallbeispiel: Das überraschende Urteil des Bundesamtes für
Verfassungsschutz gegen die Zeitung junge Welt jW, wonach diese erneut im jährlichen
Verfassungsschutzbericht aufgenommen wird. Dies ist kein Einzelfall. Bereits die Zeitung Junge
Freiheit JF wurde vor einigen Jahren verurteilt, wurde jedoch hier damals im Sinne der
Pressefreiheit entschieden. „Dabei wurde auch argumentiert, dass eine Erwähnung im
Verfassungsschutzbericht für ein Presseorgan schädlich ist und dass das nicht einfach
irgendeine Broschüre einer Regierungsbehörde, sondern quasi ein staatlicher Akt ist.“ (Beuster,
M., jW, 30.07.2024, S.2). Schlagende Argumente wie >>Markt der Meinung<< gelten schon
nicht mehr, müssen Journalisten und Medien Regierungsgrenzen weiterhin und immer
verschärfter austesten, mit der Gefahr eingeschränkt, gesellschaftlich abgestuft oder
ausgegrenzt zu werden. Hierbei geht es nicht um den Schutz extremistisch, nationalistisch
Berichtender, was gewiss verboten gehört - der Ruf von Journalisten, das Menschenrecht von
Pressefreiheit, ist gefährdet.
Diese staatliche Medienmanipulation stößt bereits Jahre zuvor auf Widerstand. Laut Becker
(2016, S. 3-4), kritisierte bereits im Juni 2014 der ARD-Programmrat die Berichterstattung der
ARD als „fragmentarisch“, „tendenziös“, „mangelhaft“ und „einseitig“. Anlass hierfür war die
unaufhörliche Berichterstattung über die Ukraine und Putin, wonach eine geradezu wachsende
Schneide zwischen Realität und obskuren Schlagzeilen entstand. Das Volk soll glauben, was die
Medien ausstrahlen, weil der Staat es möchte und dies sich am Ende gut verkaufen lässt. Doch
nicht jeder Journalist und nicht jedes Medium möchten dieses Spiel mitspielen.
Die Paradoxie mit der obskuren Aufklärung
Monatelange, jahrelange Recherchearbeiten, Ermittlungen im Hintergrund, meist alleine, selten
in Teams. Abseits des boulervardesken Stils bedeutet die Arbeit eines Journalisten, das eigene
Leben oder das des Informanten, auch Whistleblower genannt, in Gefahr zu bringen,
Totesdrohungen zu erhalten, gefoltert oder ermordet zu werden. Investigativer Journalismus
deckt das auf, was nie ans Tageslicht geraten soll.
Solche aufdeckenden Nachrichten gehen oft als Scoop einher. Eine sensationelle
Exklusivmeldung, die ein Medium noch vor anderen Medien publiziert.
Das prominenteste, investigative Beispiel ist die Watergate Affäre zu US-Präsident Nixons Zeit,
aufgedeckt durch die beiden US-Journalisten, der Washington Post, Robert Upshur Woodward
und Carl Bernstein. Laut Michael Schudson, als „Herzstück des Mythos um den amerikanischen
Journalismus“ (übersetzt aus dem Englischen, 1992, S. 126) zu verstehen, gilt sie gleichfalls als
eine Art Beflügelung nachfolgender Generationen des investigativen Journalismus. In
Anlehnung dieser folgt die Monicagate-Affäre, auch Lewinsky-Affäre genannt, mit US-Präsident
Bill Clinton.
Ab Sekunde eins der Enthüllung ist die geballte Kraft des Zyklons nicht mehr aufzuhalten. Es
folgt die Aufklärung der Bevölkerung geheimer Operationen, das Aufgreifen anderer Medien
dieser Meldung und damit eine Lawine, die nicht mehr unumgänglich ist. Die Masse wird
gelenkt oder viel mehr, die Menschheit erfährt die „Wahrheit“. Aus Regierungssicht wohl eher
ein Akt der Spionage und damit als verfassungsfeindlich einzustufen, gilt dies geradezu paradox
als Obskurantismus und das wo gleich Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit Pfeiler der
Demokratie sein sollen.
Doch was geschieht oft mit den Journalisten nach einer so gewaltigen Arbeit? Noch heute ist
ein Journalist nicht überall gerne gesehen. Anders als ein Pressebeauftragter, vertritt er nicht
die Meinung eines Unternehmens oder ist dafür da, die Regierung ins grüne Licht zu rücken.
Erst er bewirkt, dass über wichtiges Weltgeschehen berichtet werden kann. Sei es
Regierungsaffären, Kriegsthematiken in Krisengebieten oder das wahre Gesicht fremder
Kulturen und Religionen, das nicht dem eingepflanzten dichotomischen Bild entspricht und
damit die wahre Brücke zwischen allen Menschen bilden kann.
Nachfolgende Statistik des Committee to Protect Journalists (CPJ) belegt, dass seit 1992 mehr
als 1583 Journalisten weltweit getötet wurden. Viele Morde wurden nichtmals weiter verfolgt,
gar den Tätern den Prozess gemacht.

Das Committee to Protect Journalists ist eine, 1981 in den Vereinigten Staaten gegründete,
unabhängige, gemeinnützige Organisation, die sich weltweit für die Pressefreiheit
einsetzt.“ (CPJ)
Auch in anderen Gebieten der Welt, wird für die Pressefreiheit gekämpft. So setzt sich Reporter
ohne Grenzen (RSF) ebenso für den Schutz von freien Journalisten ein, insbesondere aus
Kriegsgebieten oder bei politischer Verfolgung, wie für die Einhaltung und Durchsetzung von
Pressefreiheit. Reporter ohne Grenzen wurde 1985, als Abzweigung der französischen
Ursprungsorganisation Reporters Sans Frontières, in Deutschland gegründet.
Medienschaffende, Journalisten tuen sich zusammen, um für ihr Recht zu kämpfen, offen
berichten zu dürfen. Sie kämpfen für ein Menschheitsrecht und dies immer noch im
„fortschrittlichen“, zukunftsträchtigen 21. Jahrhundert. Investigativ darf offiziell berichtet
werden, spielt sie dem positiven Bild eines prächtigen Regierungsbildes in die Arme.
Lösungsansatz für mehr wahren Journalismus –
Investigativer Journalismus vs. Konstruktiver Journalismus
Investigativer Journalismus darf kein Pfad sein, der aus Regierungssicht immer mehr ins
falsche Licht rückt und immer weniger Journalisten sich trauen, offen über Thematiken
zu schreiben. Ihre aufklärende Verantwortung gegenüber dem Volk ist für eine
Meinungserstellung jedes Einzelnen essentiell. Investigativ zu berichten, bedeutet nicht
gleich durchwegs schlechte Nachrichten den Rezipienten näher bringen zu müssen.
Fest steht jedoch, dass viele Rezipienten längst nicht mehr nur Nachrichten voller
Probleme lesen, sehen und hören möchten. Eine wahre Berichterstattung, ohne „fake
news“, aber gerne auch mit einer positiven Lösungsformel wäre ein Ansatz, um der
Regierung näher zu bringen, dass Probleme weiterhin verdeutlicht werden müssen, da
sie alle etwas angehen, aber ein gemeinsames, demokratisches Überdenken stattfinden
muss.
Investigativer Journalismus kann demnach durch den Konstruktiven Journalismus
erweitert werden. Laut Reporterfabrik, eine online Schulungsplattform für Journalisten,
des Mediums Correctiv, darf der Konstruktive Journalismus nicht als „Zuckerwatten-
Journalismus“ abgetan werden. Kritiker meinen „Die Lösung ist das Problem!“. Das
Medium Perspective Daily äußerte sich hierzu wie folgt „Wer gegen konstruktiven
Journalismus ist, hat ihn nicht verstanden.“ (21.06. 2017)
Die erfahrende Journalistin Anke Gehrmann erläutert in der Schulung „Konstruktiver
Journalismus“ unter anderem, weshalb nun genau diese Art von Berichterstattung
mehr in den Fokus gerückt werden sollte. So stellt sie Investigativen und Konstruktiven
Journalismus gegenüber:
Gegenüber dem Konstruktiven Journalismus, fühlen sich Rezipienten beim
Investigativen Journalismus hilfloser, da ausschließlich eine Problemdarstellung
erzeugt wird. Es kann nicht nur positives berichtet werden.
2. Investigativer Journalismus ist eher als publizistische Judikative und
Konstruktiver Journalismus eher als publizistisch Exekutive zu verstehen. Eine
aufdeckende, kritische Haltung, die durch Konfrontation Druck ausübt, steht
einer ausführenden Berichterstattung mit Lösungsansätzen gegenüber.
3. Investigativer Journalismus fokussiert sich auf vergangene Ereignisse, während
Konstruktiver Journalismus sich auf die Zukunft bezieht.
Konstruktiver Journalismus kann Investigativen Journalismus nicht aufheben, sondern
sollte als eine Erweiterung oder viel mehr als eine neue Form von Berichterstattung
angesehen werden. Es kann nicht nur positives berichtet werden, obgleich Rezipienten
längst nicht mehr nur mit negativen Nachrichten konfrontiert werden möchten. Beide
Berichterstattungen sind essentiell. Es muss weiterhin die Wahrheit über Vergangenes
aufgedeckt werden, während zugleich auch optimistische Lösungsansätze für aktuelle
und zukünftige Ereignisse der Welt berichtet wird. Hierbei geht es am Ende nicht um
Promithematiken der Klatschpresse, sondern um Vorkommnisse, die oft einen Großteil,
wenn nicht ein gesamtes Volk oder die gesamte Menschheit betrifft.
Fazit:
Die Frage „Ist die Demokratie von wahrem Journalismus abhängig?“ lässt sich anhand des folgenden Indikators näher erläutern:
„Die Presse muss die Freiheit haben, alles zu sagen, damit gewissen Leuten die Freiheit genommen wird, alles zu tun“. Was einst bereits der französische Journalist und langjährige Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Louis Terrenoire sagte, muss trotz Gesetzen und Menschenrechten hart erkämpft werden.
Wir müssen vom lukrativen Nonsens, zum ingeniösen Realismus (zurück) finden und Qualitätsjournalismus überordnen. Journalisten müssen Grenzen austesten, um die wirkliche Wahrheit investigativ recherchieren und berichten zu können und so ein wahres „Verständigungsrohr“ zwischen allen Menschen bilden zu können.
Demokratie ist ein wichtiges Hab und Gut – Journalismus auch!
Kommunikation ist intern und extern erforderlich, um Nachrichten auszutauschen – aus journalistischer und PR-Sicht. Ohne sie gäbe es eine große Verständnislücke zwischen den Menschen, in der Wirtschaft oder innerhalb der „vier“ Staatsgewalten (Judikative, Exekutive, Legislative und „Publikative“). Ein Wirtschaftssystem würde zusammenbrechen oder ist bereits längst am wackeln – Deutsche Demokratie vs. „Postdemokratie“.
Bereits das 1. Axiom Paul Watzlawik´s (Gutheil, 2023, S. 107) lehrt uns seit 1969, „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Gestiken, Mimiken, Gesprochenes – heute crossmedial, nicht nur durch den Menschen erstellter Content, sondern auch durch Künstliche Intelligenz (KI) erstellte Beiträge, Videos oder Bilder. Gerade mit fortschreitenden Technologien und Innovationen ist es umso essentieller, für Wahrheiten und eine breite Möglichkeit an Berichterstattung zu sorgen, denn die Medien haben nach wie vor eine große Rolle: Bildung von Meinung.
Die Menschheit benötigt auch weiterhin die Möglichkeit, ihre Meinung sich vielfältig bauen und Bildung erlangen zu dürfen, was verfassungsbedingt auch für politische Wahlen essentiell ist. Berichterstattungen in TV, Zeitungen oder Radio, ebenso wie auf Social Media muss mit der Zeit gehen, aktuelle und zukünftige Probleme in der Öffentlichkeit präventiv, aber genauso Vergangenes aufdeckend behandelt werden. Eine Ballance aus Investigativen und Konstruktiven Journalismus, um Vielfalt, Komplexität, Selbstreflexion, neue Perspektiven zu schaffen, wäre wohl eine fortschrittlichere, aber auch menschlichere Form, als eine einseitig crossmediale Berichterstattung, die oft zu wenige oder herausgepflückte und wahllos zusammengestückelte Antworten, für eine hohe Einschaltquote, geben.
Feststeht, nicht alleine die Medien gelten als Inkulpat für die zunehmende Anzahl an „Fake news“ und der zu großen Selektion, sondern eher als Konsorte. Die Medien haben die verfassungsmäßige Rolle, die Kritik- und Kontrollinstanz eines jeden Staates zu bilden. Genau dies sollten sie auch durch das Recht auf Pressefreiheit, ebenso wie durch das Recht auf Meinungsfreiheit, unpolitisch, nicht regierungsgelenkt sein. Freie Journalisten, die ihrer Berufung nachkommen, über Wahrheiten berichten zu wollen, sollten nicht in ihren Rechten eingeschränkt, noch politisch verfolgt, entführt, gefoltert oder ermordet werden. Der Beruf eines Journalisten wird immer gefährlich sein, desto mehr aufgedeckt und in der Öffentlichkeit Präsenz gezeigt wird.
Der unermüdliche, jahrzehntelange Einsatz von Organisationen, wie das Committee to Protect Journalists (CPJ) oder Reporter ohne Grenzen (RSF) ist wichtiger denn je, was auch der breiten Öffentlichkeit immer bewusster wird, aber noch immer zu wenig bewusst ist. Denn auch in Zukunft werden Journalisten in Gefahr leben oder überleben müssen und die Pressefreiheit wird wanken.
Literaturverzeichnis:
Becker, J. (2016). Medien im Krieg – Krieg in den Medien. Springer VS.
Beuster, M. (30. Juli 2024). Journalistenverband von Urteil gegen junge Welt überrascht. Gericht
bestätigte Nennung in Verfassungsschutzbericht: Ein Gespräch mit Mike Beuster. junge Welt. S.
2
Borchert, A. (2020). Mehr Wahrheit wagen. Warum die Demokratie einen starken Journalismus
braucht. Dudenverlag.
Committee to Protect Journalists. What we do. Why we protect Journalists.
Deutscher Bundestag. (06.2019). Sachstand: Zu den Begriffen „deutsches Volk“, „Deutsche“ und
„deutsche Volkszugehörigkeit“ im Grundgesetz.
3-026-19-pdf-data.pdf
Europäische Menschenrechtskonvention. (2014). Informationsfreiheit.
Feicht, V. (2022). SLAPPS: Unterdrückung öffentlicher Beteiligung durch missbräuchliche Klagen:
Juristische Ohrfeige. In Andreas E., Benjamin, D., Hans-Jörg K., John Philipp T., Michèle W., Rolf
G., Rosemarie W., Vera F. & Wiebke J. (Hrsg.), Grundrechte-Report 2022: Zur Lage der Bürgerund
Menschenrechte in Deutschland, S. 56-57. Fischer.
Gemäß Art. 1 Abs.2 GG
Gemäß Art. 5 Abs.1 GG
Gemäß Art. 5 Abs.2 GG
Gemäß Art. 10 EMRK
Gemäß Art. 11 Abs.1 EU
Gemäß §1 IFG
Gutheil, B. (2023). Wahrnehmung und Nutzung informeller Kommunikation in Krisenzeiten.
Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-42364-3_4
Lippmann, W. (1922). Public Opinion. Harcourt, Brace & Co.
Luhmann, N. (2005). Soziologische Aufklärung 4 – Beiträge zur funktionalen Differenzierung der
Gesellschaft (3. Aufl.), Springer VS.
Schudson, M. (1992). Watergate in American Memory: How We Remember, Forget, and
Reconstruct the Past. BasicBooks.
Thaler, T. (26. Juli 2024). Pressefreiheit in Gefahr: Rücktritte sind fällig. Junge Freiheit. S. 1
Abbildungsverzeichnis:
Abb. 1: Weltweites Mediennetzwerk (Quelle: Journalism International)
Abb. 1: Weltweites Mediennetzwerk (Quelle: Journalism International)
Abb. 2: Mediennutzer in Deutschland von 2019 bis 2023 (Quelle: Statista)
Abb. 3: Vertrauen in die Tageszeitung (Quelle: Statista)
Abb. 4: Getötete Journalisten weltweit (Quelle: Committee to Protect Journalists)
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